Was bedeutet das Anthropozän für Sie?
Das Konzept des Anthropozäns hat entscheidend dazu beigetragen, die tiefgreifende sozio-ökologische Krise zu beleuchten, die die Existenz des menschlichen und nicht-menschlichen Lebens bedroht. Gleichzeitig hat dieses Konzept das Potenzial, interdisziplinäre Debatten über die vielfältigen Dimensionen dieser globalen Krise zu fördern. In den letzten Jahren ist diese Kategorie sowohl weit verbreitet als auch kritisch diskutiert worden. Unter den alternativen Begriffen, die in den Sozialwissenschaften und der Philosophie aufgetaucht sind, halte ich das Konzept des "Kapitalozäns" für analytisch und politisch grundlegend, da es unterstreicht, dass es sich um eine systemische Krise handelt, die über das individuelle Handeln hinausgeht und das Ergebnis kapitalistischer Produktions-, Konsum- und Lebensweisen im weiteren Sinne ist. Sie war auch hilfreich, um sichtbar zu machen, wie geopolitische Interessen, Machtasymmetrien und neokoloniale Logiken des Extraktivismus zur aktuellen Situation beigetragen haben. All diese Aspekte sind meines Erachtens von wesentlicher Bedeutung, wenn es darum geht, soziologisch zu beschreiben und zu erklären, wie die Rechtssysteme mit umweltschädigenden Handlungen umgehen.
Inwiefern spielt das Anthropozän in Ihrer Arbeit eine Rolle?
Ich betreibe Forschung zur selektiven Funktionsweise von Gerichten und ihrer Rolle bei der (Re-)Produktion hegemonialer Werte und sozialer Bedeutungen. Eine Dimension meiner Arbeit konzentriert sich auf die gerichtliche Behandlung von umweltschädigenden Handlungen, wobei der Begriff des Anthropozäns einen nützlichen Rahmen bietet, um gerichtliche Interventionen zu verorten und ihre ökologischen, sozialen und politischen Folgen innerhalb der anhaltenden sozio-ökologischen Krise zu verstehen.Dieses Konzept ist auch analytisch wertvoll, umdie anthropozentrischen Grundlagen der modernen westlichen Rechtssysteme und die Kategorien der Haftung und des Verbrechens selbst zu problematisieren.
Welche(s) Projekt(e) bearbeiten Sie während Ihres Stipendiums am Forum Basiliense?
In meinem Projekt wird soziologisch untersucht, wie die Justizsysteme in Lateinamerika mit sozio-ökologischen Schäden umgehen. Ziel ist es, die materiellen und symbolischen Folgen solcher juristischen Interventionen zu analysieren und die Art und Weise, wie sie extraktivistische Dynamiken und strukturelle Ungleichheiten in der Region verstärken können. Die Forschung soll zu einem differenzierteren Verständnis der Art und Weise beitragen, wie Umweltkriminalität und Umweltsicherheit im globalen Süden gestaltet werden. Während meines Aufenthaltes am Forum Basiliense werde ich meine Forschung vorantreiben und auch die Umweltregulierung im Globalen Norden untersuchen, wobei ich wiederum erforschen werde, wie diese mit den lateinamerikanischen Regulierungen und gerichtlichen Interventionen zusammenhängt. Ich bin besonders daran interessiert, zu analysieren, wie das Konzept des Ökozids in den verschiedenen Regionen verwendet und weiterentwickelt wurde.